Warten auf März - warum Schmetterlinge nicht bleiben
Sie liegt links, ich rechts. Meine Hand auf dem Laken, ihre auf meiner.
Ich glaube, ihr ist kalt. Ich ziehe die Decke hoch, sie stöhnt leise und schläft wieder ein.
Als ich am Morgen gegen 5 Uhr wach werde muss ich weg. Also stehe ich auf, suche meine Schuhe und gehe. Setze mich auf die Terrasse, rauche, frühstücke.

Ich esse ihr Herz. Es ist noch warm und pulsiert leicht. Blut läuft mir von den Händen. Ich drücke meine Zigarette in dem Blut auf dem Boden aus. Die Kippe bleibt liegen.
Warten und essen. Rauchen. Die Kippen bleiben liegen.
Neben ihrem Herz. Es schmeckt mir nicht, ich gebe es ihr zurück.

Die Zigaretten sind alle, ich ziehe mich an, gehe zur Tankstelle und hole neue.
Wie immer? Ja, danke.
Die Kippen bleiben ohnehin liegen.


Wenn ich sage, dass ich zweckmäßige Beziehungen führe, sehe ich nur verstörte Blicke in großen Augen. So große, dass ich darin den Prinzen auf dem weißen Pferd sehe, der in noch größerer Leere verschwindet. Und die Frage nach dem Warum.

Das Warum ist einfach - Liebe ist ein Begriff, der uns im Laufe unserer Erziehung als etwas vermittelt wurde, das uns in Gedanken auf Wolken schweben lässt, obgleich wir mit unseren Füßen im Dreck stehen. Der Begriff, der uns anerzogen wurde, ist nicht der Zustand permanenter Liebe von Beginn an. Der uns erklärte Begriff ist Verliebtheit.

Liebe ist das, was bleibt, wenn die Verliebtheit verschwunden ist. Die Schmetterlinge sind der Preis, den zu zahlen musst. Auch wenn du Raupen frisst - die Schmetterlinge kommen nicht zurück.

Verliebtheit ist das einzigartige Gefühl davor. Die Zeit, in der sich die ganze Welt verändert. Und in der diese beiden Menschen glauben, die Welt verändern zu können.
Für immer zusammen bleiben.
Das Gefühl ist unbeschreiblich und einmalig. Ist und macht stark.
Und vielleicht auch der einzige Grund, warum sich ein Menschenleben lohnt.
Du wirst kaum ein zweites Gefühl finden, welches dich jemals so glücklich machen wird.
Daher halt es fest, solange du es greifen kannst. Genieß es, lass dich davon tragen.
Gib es trotzdem frei. Es wird verschwinden. Es muss.

Ich sollte jetzt von Endorphinen und der Evolution anfangen. Ich hätte das im letzten Absatz schon tun sollen. Aber ich weiß, wie nüchtern diese Theorie jetzt klingen würde.
Verliebtheit hat keinen Bestand. Sie kann nie die Basis einer Zwei-Personen-Konstruktion sein. Wie schön wäre es, ein Leben lang dieses Gefühl miteinander teilen zu können.
Trotzdem bleibt es ein Trip. Und dieser würde dich daran hindern, dein Leben zu leben.
Selten hat sich ein Mensch so getäuscht wie John Lennon in dem Song "All you need is love". Letztendlich vermittelte er uns, man könne diesen Zustand ewig haben, immer auf diesem Trip bleiben. Love & Peace hätte ohne den exzessiven Drogenkonsum nicht funktioniert. Einen Trip durch einen anderen verlängern. Wäre dieser eine Mensch das einzige was du brauchst, so würdest du nichts tun um etwas zu bekommen.
Nur sehr wenige Menschen gehen in der Hochphase der Verliebtheit ihren Pflichten, seien es Schule oder Beruf, jederzeit konzentriert nach. Es ist damit logisch und notwendig, dass Verliebtheit nicht ewig andauern kann.

Es wäre richtig, jetzt zu fragen, warum die Verliebtheit dann überhaupt existiert.
Auch diese Antwort ist einfach: Um dich an einen Menschen so eng wie möglich zu binden. Sinn der Verliebtheit ist es, Abhängigkeit zu schaffen. Genau der Punkt, an dem du feststellst, dass du ohne den anderen Menschen nicht mehr leben kannst. Du kannst es dir nicht mehr vorstellen, genau so wenig wie die Zeit vorher. Abhängigkeit wird durch das Fixieren auf eine Sache geschaffen. In diesem Fall auf eine Frau oder einen Mann, im Fall des Trüffelschweins auf einen blöden Pilz.

Während das Trüffelschwein brav die Pilze aus der Erde gräbt, gräbst du in deinem Gegenüber eine Abhängigkeit aus. Was dann passiert - " Wir können nicht aufeinander verzichten, die Nähe, das gemeinsame Einschlafen, den Sex, alles."
Theoretisch ein Erfolg, trotzdem trennt man sich.

Verliebtheit habe ich als Mittel der Bindung zweier Menschen aneinander definiert, als nicht-permanenten Zustand. Man hat sich verliebt und liebt nun einander. Liebe ist demnach die vollendete Form der Abhängigkeit. Die Verliebtheit verschwindet, was bleibt ist das, was Liebe eigentlich ist.

Liebe ist ein Zugehörigkeitsgefühl, keine eigenständige Emotion. Und entgegen der popkulturellen Meinung lässt dir die Liebe weder Flügel wachsen noch gibt sie deinem Leben einen Sinn. Stattdessen gibt sie dir ein Mittel um dir selbst Sinn zu schaffen - dein Gegenüber. Im Idealfall ist Liebe also Lebenshilfe. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Liebe baut darauf, dass eine Wechselwirkung einsetzt. In guten wie in schlechten...Genau das.

Warum dann Trennung?
Auch ein gesellschaftliches Problem, haben wir es doch im Gegensatz zur Verliebtheit bei Liebe nicht mit einem so präsenten Gefühl zu tun. Liebe liegt unter dem Alltag, ist damit nicht immer spürbar da. Warum Trennung - oft ist es Trauer über das Verschwinden der Verliebtheit. Manchmal kommt die Verliebtheit zurück, in Momenten, in denen man seinen Partner von einer Seite erlebt, die man nicht oder nicht ganz kannte. Verliebtheit hängt also auch mit Interesse zusammen. Sie ist kein Kennenlern-Prozess.

Man verändert sich im Laufe der Zeit, verändert seine Perspektiven und Ziele. Das berühmte "Auseinanderleben". Liebe funktioniert meist nur, wenn man in die gleiche Richtung schaut.
Es geht auch anders, aber die wenigsten Bindungen halten dies aus. Nicht selten scheitern Beziehungen schon beim Übergang von Liebe zu Verliebtheit.
Was jedoch da scheitert ist das Prinzip, nicht die Liebe selbst. Weh tut es trotzdem, ist es doch letztendlich nichts anderes als ein Entzug. Dir wird etwas vorenthalten was du brauchst.

Liebe ist Arbeit. Bei Freunden melde ich mich schließlich auch regelmäßig. Bindungen brauchen Pflege, und Liebe noch viel mehr als andere.
Der Zweck einer Beziehung ist es, füreinander da zu sein.
Wenn ich sage, dass ich zweckmäßige Beziehungen führe, dann heißt das nur, dass ich mit jemandem zusammen bin, mit dem ich kann und der mit mir kann. Dass ich der Verliebtheit nicht nachtrauere, weil ich dafür etwas anderes bekomme.

Ich glaube an das was ich sage.
Und ich glaube, das macht es interessanter als zu denken, der Satz "Und sie lebten glücklich bis..." sei automatisierter Standard.


Ich habe ihr Herz doch weiter gegessen. Es pulsierte immer noch und es hat mir immer noch nicht geschmeckt.
Das Blut neben meinen Füßen gerinnt langsam. Und die Kippen liegen immer noch da.
Die Luft schmeckt nach ihr und sie fehlt mir.
Ich bin kalt. Also gehe ich zurück ins Bett.
Sie liegt jetzt rechts, ich links. Ihre Hand unter der Decke, meine auf ihrer.
Die Kippen und das Blut bleiben liegen.
Wie immer? Ja, danke.

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